Dirty Harry verschwindet von der Bildfläche
Vier Tage nach dem Führungswechsel beim Privatsender Sat.1 folgte heute überraschend das Aus für die "Harald Schmidt Show". Die Sendung werde im kommenden Jahr nicht fortgesetzt, weil Moderator und Produzent Harald Schmidt nach acht Jahren eine Kreativpause einlegen will, teilte die ProSiebenSat.1 Media AG mit. Die letzte reguläre Ausgabe der "Harald Schmidt Show" wird am 23. Dezember ausgestrahlt. Insider vermuten allerdings, dass Schmidts Abgang nicht freiwillig ist: "Dirty Harry" nahm in der vergangenen Woche den neuen Senderchef Roger Schawinski aufs Korn. Der Schweizer ersetzte den ehemaligen Sat.1-Geschäftsführer Martin Hoffmann - und der wiederum war ein enger Weggefährte von Harald Schmidt.
Schawinski plant weiter mit Schmidt
Schawinksi versuchte in seiner ersten Stellungnahme zu dem plötzlichen Aus der Schmidt-Show schön Wetter zu machen. "Ich freue mich, dass ich Harald Schmidt persönlich sehr bald treffen und mit ihm über gemeinsame Projekte reden kann", sagte der Geschäftsführer des Senders Sat.1. Er sei "ein großer Fan und Verehrer" der Show und bedaure es deshalb "außerordentlich", dass Schmidt eine Pause einlegen wolle, schreibt der Spiegel. Schawinski sagte aber auch, dass er den Wunsch des Moderators nach einer Auszeit gut verstehen könne - schließlich sei er ja Kollege. "Ich habe sieben Jahre eine tägliche Talkshow moderiert und hatte danach das riesige Bedürfnis, eine Pause einzulegen." Der Medienmanager war im Schweizer Sender Tele Züri Gastgeber der Show "Talk Täglich".
Schmidt: "Zeit für eine Pause"
Schmidt selbst äußerte sich lediglich in der Erklärung der ProSiebenSat.1 Media AG. "Nach acht Jahren, in denen ich ununterbrochen mit der 'Harald Schmidt Show' auf Sendung war, ist es für mich Zeit für eine Bildschirmpause", sagte Harald Schmidt nach Angaben der ProSiebenSat.1 Media AG. "Ich habe Sat.1 viel zu verdanken und bleibe dem Sender auch weiterhin sehr verbunden." Noch im vergangenen Jahr hatte Schmidt verkündet, er werde "lebenslänglich" für Sat 1 im Einsatz sein.
Ist Schmidt zu teuer?
Eine weitere Vermutung: Schmidt ist viel zu teuer. Der neue Hauptgesellschafter der ProSiebenSat.1 Media AG, Haim Saban, hatte in den vergangenen Wochen jeden einzelnen Sendeplatz aller vier Sender (ProSieben, Sat 1, Kabel 1, N24) durchrechnen lassen. Die Bewertung für die "Harald Schmidt Show" waren erschreckend: Die Werbeeinnahmen deckten nicht die Kosten, die die Show verursacht. Allein Schmidts Moderationshonorar wird auf 40.000 Euro pro Folge geschätzt. Die Sat 1-Sprecherin wies diese Spekulationen zurück.
Schawinski nicht sauer?
Für den Vorstandsvorsitzenden der Pro Sieben Sat 1 Media AG, Urs Rohner, kommt die "Kreativpause" von TV-Entertainer Harald Schmidt nicht unerwartet. "Ich hatte in meinem Gespräch mit ihm vor längerer Zeit schon den Eindruck, dass er sich unsicher war, ob er noch ein Jahr dranhängen will", sagte Konzernchef Urs Rohner der Tageszeitung "Die Welt" (Dienstagausgabe). Das Ende der Sat-1-Sendung "Harald Schmidt Show" habe aber nichts mit dem Geschäftsführerwechsel bei Sat 1 zu tun, sagte Rohner weiter. "Mich hat das nicht geärgert", sagte Rohner der Tagezeitung zufolge. Lästern gehöre zum Job eines Late-Night-Talkers dazu. Schmidts US-Pendant David Letterman habe zum Beispiel seinen Senderchef Bob Wright von NBC ein Jahr lang veräppelt. Auch Schawinski habe das nicht gestört - im Gegenteil: "Es war für ihn wie ein Ritterschlag", sagte Rohner.
Seit acht Jahren auf Sendung
Die "Harald Schmidt Show" war am 5. Dezember 1995 erstmals auf Sendung gegangen und hat etliche Medienpreise eigeheimst. Beim Deutschen Fernsehpreis 2001 und 2003 wurde die Show zur besten Comedy-Sendung gekürt und im vergangenen Jahr bekam Schmidt eine Goldene Kamera in der Kategorie Entertainment. Erst vor wenigen Tagen, am 23. November, ist Schmidt für seine impulsive Fernsehunterhaltung mit dem Hans-Bausch-Mediapreis ausgezeichnet worden. Unvergessen ist die Show vom 25. September 2001 - zwei Wochen nach den Anschlägen in den USA -, bei der Schmidt die Gratwanderung zwischen Entertainment und ernster Politik schaffte.
Langeweile ist Gift für Unterhaltung
Seine Laufbahn begann Harald Schmidt mit Auftritten im Düsseldorfer Kabarett "Kom(m)ödchen". Anschließend arbeitete er für die ARD mit Formaten wie "MAZ ab", "Schmidteinander" oder "Verstehen Sie Spaß?" Schmidt merkte frühzeitig, dass Langeweile Gift für die Unterhaltung ist und versuchte schon vor einigen Jahren der drohenden Ödnis in seiner Show vorzubeugen. Sein Rezept gegen Langeweile: Er versuchte immer wieder neue Ideen in seine Show einzubringen. Mal moderiert er eine ganze Sendung in französischer Sprache, mal spielt er mit Modelleisenbahnen oder pokert im Studio mit den Kollegen Helmut Zerlett und Manuel Andrack.
Ärger mit losem Mundwerk und zynischen Witzen
Besonders Schmidts gewagtere Auftritte sind den Zuschauern in guter Erinnerung. Ärger handelte er sich zum Beispiel mit WDR-Moderatorin Bettina Böttinger ein, deren Konterfei er neben einer Kloschüssel platzierte. Dazu stellte er die Frage, was beide gemeinsam hätten. Antwort: "Sie werden von Männern nicht angefasst." Ex-"Tagesschau"-Sprecherin Susan Stahnke wiederum fand sich in eindeutiger Pose in einem Ausschnitt des fingierten Hollywood-Streifens "Basic Instinct II" wieder. Harald Schmidt nimmt kein Blatt vor den Mund. Aber gerade das ist es, was die Fans ganz besonders an ihm lieben - und vermissen werden.
Quelle: t-online.de
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