Schwarz, rot, gold / hart und stolz
Der Berliner Rapper Fler steht unter Faschismusverdacht. Zu Unrecht: Er ist einfach nur stumpf
Fler ist ein bisschen ratlos. Vor wenigen Tagen musste der aufstrebende Berliner Rapper des HipHop-Labels Aggro Berlin in der Taz einen Artikel lesen, der ihm unterstellte, mit rechtsradikaler Gesinnung zu kokettieren. Gewiss, Fler lässt seinen Namen offiziell in Fraktur schreiben, hat den Bundesadler zu seinem Wappentier erklärt und singt in seiner aktuellen Single "NDW 2005" von der "neuen deutschen Welle". In dem dazugehörigen Video flattert ständig eine Deutschlandfahne durchs Bild und man hört Fler dazu rappen "schwarz, rot, gold / hart und stolz". In einer Werbekampagne sah man ihn jüngst mit einem Baseballschläger wie einen Hooligan posieren, ein anderes Mal hielt er einen Molotow-Cocktail in der Hand, an dem ein Tuch in Nationalfarben fackelte. Und um sein erstes Album "Neue Deutsche Welle", das heute erscheint, angemessen anzukündigen, hielt er es für eine glänzende Idee, es mit einer Abwandlung von Hitlers berühmten Weltkriegseröffnungszitat zu bewerben: "Am 1. Mai wird zurückgeschossen!" Fler ist nicht nur ratlos, sondern auch empört: All die harmlosen Zeichen und Zitate werden jetzt von übelwollenden Kritikern in gemeiner Weise zu seinen Ungunsten interpretiert. Hätten sie sich seine Single genau angehört, hätten sie bemerkt, dass er nebenbei auch die multikulturelle Gesellschaft lobt; hätten sie sich sein Video nur etwas aufmerksamer angeschaut, hätten sie doch sehen können, dass darin Menschen mit den unterschiedlichsten Hautfarben einen Auftritt bekommen. "Aber die wollen mich schon vor der Veröffentlichung kalt machen", weiß Fler. "Weil die wissen, dass ich der Angesagteste bin. Mein Album ist das beste Album. Mein Video ist das beste Video. Die haben alle Angst!"
Nach einer Hörprobe muss man allerdings sagen, dass die angeblich vor Angst gelähmte Hip-Hop-Szene sich gerne wieder beruhigen kann. Flers Album wird das Genre nicht revolutionieren. Die Musik ist zwar rundum solide produziert, aber die Texte werden vor allem polternd, zäh und schleppend vorgetragen und bemühen sich um wenig mehr als die handelsübliche Härte. Auch rechtsradikale Verdachtsmomente werden nicht bestätigt. Statt speziell gegen Minderheiten richtet sich die Gewalt auf "Neue Deutsche Welle" ganz gleichberechtigt gegen Menschen aller Art und an sich.
Auf dem Werk gibt es in etwa zwei Kernaussagen: Fler ist erstens der krasseste, kompromissloseste und größte Rapper und Frauenverführer unter der Sonne, und zweitens ist er auch noch der tapfere Retter der deutschsprachigen Musik. "Deutsche Musik muss wieder mehr gehört werden", fordert er mutig zu einem Zeitpunkt, zu dem das Land schon längst wieder viel mehr deutsche Musik hört. Allein in dieser Woche finden sich in den Top-20 der Albumcharts zwölf Tonträger mit deutschsprachiger Musik. Doch Fler meint zu wissen, dass diese es auf Viva und MTV schwer hat, und ist fest davon überzeugt, dass kein Radiosender bereit sein wird, seine Stücke zu spielen. "Es gibt nur Ami-Rap / Weil man da kein Wort versteht / Und ich werd gnadenlos zersiebt / Weil man's sofort versteht", rappt er in "NDW 2005".
Vielleicht zeugen diese schlichten Zeilen tatsächlich von einer tieferen Einsicht in das Problem des deutschsprachigen HipHop, als es Fler lieb sein kann. Denn trotz der Verarbeitung schier ungeheurer Textmassen hat sich Hip-Hop sowohl international als auch national zu einer weitgehend inhaltsfreien Angelegenheit entwickelt. Ob nun 50 Cent, The Game, Ja Rule, Lloyd Banks, Jay-Z oder irgendein anderer Rapper der nachwievor dominierenden Sparte Gangsta-Rap - sie alle erzählen im Grunde Album für Album und Song für Song die ewig gleiche Geschichte: früher hatten sie es schwer, jetzt schwimmen sie im Geld, und wer ihnen den Erfolg neidet, bekommt was auf die Mütze. Mit den deutschen Rappern verhält es sich genauso: Azad hatte es schwer, Bushido hatte es schwer, und Fler hatte es natürlich auch schwer. Kool Savas ist seit Beginn seiner Karriere damit beschäftigt, dem Publikum mit viel Wortgewalt zu erklären, dass er beste Rapper des Landes ist, und obwohl er damit zweifellos Recht hat - wie oft soll man sich das noch anhören?
All diese Künstler kreisen unentwegt um sich selbst und ihre begrenzten Erfahrungswelten. Die einzige Entwicklung, die es gelegentlich gibt, besteht darin, dass die Konfliktlinien untereinander neu gezogen werden. Was Monotonie und Stumpfsinn anbelangt hat deutscher HipHop jedenfalls längst internationalen Standard erreicht. Nur leidet er dummerweise darunter, dass man deutschsprachigen Stumpfsinn in Deutschland leichter als Stumpfsinn identifiziert.
Allein Flers Label-Kollege Sido hat es in der letzten Zeit geschafft, aus dem Teufelskreis auszubrechen, indem er ungeahnte Selbstironie an den Tag legte, mit seinen Stücken ebenso interessante wie völlig abwegige Geschichten erzählte und dabei jede Menge Wortwitz bewies. Davon kann bei Fler keine Rede sein. Seinen Texten fehlt auch jene gleichermaßen überzogene wie distanzierte Melodramatik, die man seinem ehemaligen Kollegen Bushido zugute halten kann. Fler erfüllt mit seinem Album lediglich die Konventionen des Genres und gibt sich dabei entsprechend unbeugsam und hart. Insofern ist sein Fall aber auch wieder exemplarisch: Wie fast der gesamte HipHop inzwischen, sind auch die Rap-Texte von Fler das Produkt einer öden Männerwelt, in der fortwährend symbolische Territorialkämpfe ausgetragen werden, Frauen bestenfalls schmückendes Beiwerk abgeben und jede Form von Nachdenklichkeit umgehend als "schwul" gebrandmarkt wird.
HipHop ist heute zu einer zutiefst konservativen Jugendkultur verkommen, die ihre eigenen Regeln nicht mehr in Frage stellt. Es geht nur noch darum, keine Schwäche zu zeigen; auf jeden Angriff folgt darum notwendigerweise ein Gegenangriff, der die ursprüngliche Attacke in den Schatten stellt. Als Eko Fresh zum Beispiel vor geraumer Zeit den Titel "Die Abrechnung" veröffentlichte, um mit seinem alten Partner Kool Savas abzurechnen, konterte Savas mit "Das Urteil" und ließ Fresh im begleitenden Video lebendig begraben. Doch Fresh war das nicht genug. Er eröffnete noch eine weitere Front und nahm mit Bushido den Titel "Flerräter" auf, in dem sie sich über Fler und seine Außenseiterrolle als deutscher Rapper lustig machen - tatsächlich stammen Flers Konkurrenten fast sämtlich aus Migrantenfamilien. Er nahm den Ball dankbar an und schusterte sich daraufhin eine Identität als besonders deutscher Rapper zusammen, um zu zeigen, dass deutsch für ihn keine Beleidigung ist.
Wer mit den täglichen Scharmützeln unter Deutschlands Nachwuchsrappern nicht vertraut ist, kann das natürlich leicht missverstehen. Doch egal: denn das Problem ist ja gar nicht der Nationalismus, sondern die Dummheit, aus der er erwächst.
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